Mindest- und Höchstsätze der HOAI (2013) zum Honorar für Architekten und Ingenieure doch nicht wegen Verstoßes gegen EU-Recht unanwendbar

Der EuGH hatte mit Urteil vom 04.07.2019 festgestellt, dass die §§ 3, 7 HOAI gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie im Binnenmarkt (Art. 15 der Richtlinie 2006/123/EG) verstoßen.
Die Bundesrepublik Deutschland war also verpflichtet, diese EU-rechtswidrigen Regelungen unverzüglich abzuschaffen. Sie hat dies mit der HOAI 2021 getan, obwohl schon seit 2009 dazu verpflichtet. Die Mindest- und Höchstsätze der HOAI sind nun nicht mehr zwingend, sondern haben nur noch Empfehlungscharakter. Für Verträge, die ab dem 01.01.2021 geschlossen wurden gilt nun:
Das Honorar kann frei vereinbart werden. Sofern keine abweichende Vereinbarung in Textform getroffen wurde, gilt der Basishonorarsatz, § 7 Abs. 1 Satz 2 HOAI. Gegenüber Verbrauchern gilt ein Honorar über dem Basishonorarsatz nur bei Belehrung in Textform über die freie Vereinbarkeit der Honorarhöhe, § 7 Abs. 2 HOAI.

Altfälle:
Was ist aber mit Verträgen, die vor dem 01.01.2021 geschlossen wurden? Sollte die HOAI-Mindestsatzfiktion hier auch keine Anwendung mehr finden? Die OLG-Rechtsprechung in Deutschland dazu war gespalten.

Das Urteil des EuGH v. 18.01.2022:
Nun hat der EuGH entschieden, dass deutsche Gericht nicht verpflichtet sind, die alten Regeln der HOAI 2013 auf Altverträge nicht anzuwenden. In einem Rechtsstreit zwischen Privaten mit Sitz in Deutschland kann (theoretisch) die Partei, die durch die EU-Rechtswidrige Mindestsatzregeln der HOAI benachteiligt ist, lediglich gegen die Bundesrepublik auf Schadensersatz klagen wegen des Verzuges mit der Umsetzung der Richtlinie.

Das Urteil des BGH v. 02.06.2022:
Die Mindestsatzregel des § 7 HOAI (2013) kann nicht richtlinienkonform so ausgelegt werden, dass die Mindestsätze zwischen Privaten nicht mehr verbindlich sind. Deutsche Gerichte dürfen in Altfällen die Mindestsätze zwischen Privaten in Deutschland also trotz des festgestellten Richtlinienverstoßes nicht unangewendet lassen.

Ausblick und Auswirkungen:
Die Bundesrepublik hat die Verbraucher in Deutschland bis zum 01.01.2021 im Regen stehen lassen und den Architekten Gutes getan. Eine Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs gegen die Bundesrepublik Deutschland eines deutschen Verbrauchers, der eine unwirksames, geringes Pauschalhonorar auf den höheren Mindestsatz nach HOAI 2013 aufstocken musste, erscheint aussichtslos. Architekten können ihre (innerdeutschen) Altverträge auf Mindestsatzunterschreitungen durchforsten und neu abrechnen. Vorsicht ist bei grenzüberschreitenden Altverträgen geboten.

Die Gestaltungsmöglichkeiten für Neuverträge sind vielfältig. Ich berate Sie hierzu gerne.