REVOLUTION BEI DER ABRECHNUNG VON MÄNGELBESEITIGUNGSKOSTEN

BGH Urteil vom 22.02.2018, Az. VII ZR 46/17

Mit diesem Urteil hat der BGH eine Wende um 180 Grad gegenüber der bisherigen Rechtsprechung vollzogen. Konnte der Besteller eines Werks in den letzten Jahrzehnten den mangelbedingten Minderwert noch durch Ansetzung von sogenannten „fiktiven Mängelbeseitigungskosten“ berechnen ohne die Mängel auch zwingend beseitigen zu müssen, so ist es damit nun vorbei.

Der Fall: (vereinfacht)
Ein Werkunternehmer verlegte im Jahr 2005 Natursteinplatten mangelhaft auf einem Grundstück, das mit einem Einfamilienhaus bebaut ist. Es kam in 2007 zu Rissen und Ablösungen der Platten. Während des laufenden Prozesses (Berufung) veräußerte die Klägerin im Jahr 2015 die Immobilie. Die Vorschussklage wurde folgerichtig auf Schadensersatz umgestellt, basierend auf den fiktiven Mängelbeseitigungskosten. Die Immobilie befand sich wohl in guter Lage, so dass der Käufer trotz Mängeln in den Außenanlagen einen hohen Kaufpreis zahlte. Die Verkäuferin machte also bei objektiver Betrachtung der Vermögenswerte zwischen Anschaffung und Veräußerung einen Gewinn und erlitt im Vergleich zum ursprünglichen Kaufpreis keinen Vermögensschaden.

Das Urteil:
Das BGB bestimmt in §§ 634 Nr. 4, 280, 281 BGB nicht, wie der Schaden zu bemessen ist. In § 249 I BGB ist lediglich geregelt, dass Naturalrestitution nicht in der Form möglich ist, dass der Mangel beseitigt wird. Der Schadensersatzanspruch statt der Leistung tritt an die Stelle der Leistung. Der Besteller, der sich dafür entscheidet, das mangelhafte Werk zu behalten und Schadensersatz statt der Leistung zu verlangen, kann nur dann Ersatz in Geld verlangen, wenn er durch den Mangel einen Vermögensschaden erleidet. Der Schaden ist ggf. zu schätzen.

1.) Grundsatz der Schadensberechnung ist nach neuer Rechtsprechung also die Vermögensbilanz: Zu berechnen ist laut BGH die Differenz zwischen dem hypothetischen Wert der durch das Werk geschaffenen oder bearbeiteten Sache ohne Mangel und dem tatsächlichen Wert der Sache mit Mangel. Diese Differenz kann z.B. durch ein Wertgutachten ermittelt werden. Was der BGH nicht sagt: diese Berechnungsweise scheidet überall dort aus, wo der Besteller nicht Eigentümer ist, als im Subunternehmerverhältnis oder wenn der Besteller Mieter ist.

2.) Welche alternativen Möglichkeiten der Schadensberechnung bestehen dann nach neuer Rechtsprechung? Hat der Besteller die Sache veräußert, ohne dass eine Mängelbeseitigung vorgenommen wurde, kann er den Schaden nach dem konkreten Mindererlös wegen des Mangels der Sache bemessen. Hier kann es zu unbilligen Ergebnissen kommen. Etwa wenn eine Immobilie sich bereits lange im Besitz des Bestellers des Werks befunden hat und die allgemeine Wertsteigerung in guter Lage beim Verkauf zu einem Mehrerlös gegenüber dem historischen Anschaffungspreis führt, trotz des Mangels in einem Gewerk. Der BGH gewährt in diesen Fällen den Rückgriff auf eine Schadensschätzung, die die durch den Mangel erfolgte Störung des Äquivalenzinteresses berücksichtigt.

Was soll das heißen?
Ausgangspunkt der Schadensbemessung soll der Minderwert des Werks wegen des (nicht beseitigten) Mangels sein. Der Schaden soll sich also aus dem Anteil der werkvertraglichen Vergütung ergeben, der auf die mangelbehaftete Leistung entfällt. Ergibt sich dieser Anteil nicht aus dem Vertrag, so ist er zu schätzen.

Beispiel:
Wurde bei einer Außenanlage für insgesamt 50.000 EUR Vertragswert der Pflasterbelag im Wert gemäß Leistungsverzeichnis von 20.000 EUR mangelhaft verlegt, so läge die Störung des Äquivalenzinteresses bei 20.000 EUR, auch wenn Abriss, Entsorgung und mangelfreie Neuherstellung 30.000 EUR gekostet hätten (dies wären also höhere fiktive Mängelbeseitigungskosten). Dies soll auch gelten, wenn der Verkaufserlös der Immobilie trotz des Mangels weit über dem Ankaufspreis lag. Dem schlecht leistenden Werkunternehmer soll der Vorteil aus einem guten Ersatzgeschäft des Bestellers, mit dem er nichts zu tun hatte, nicht zugutekommen.

3.) Was ist zu tun, wenn man sich vorgerichtlich oder im Prozess für die Geltendmachung des sogenannten kleinen Schadensersatzes entschieden und diesen gefordert hat? Ein Besteller, der sich im laufenden Prozess entscheidet angesichts dieser Rechtsprechungsänderung lieber den Mangel beseitigen zu wollen, dieses aber nicht finanzieren kann, hat ein Problem. Der BGH gewährt hier jedoch weiterhin trotz (auch im Prozess) bereits erfolgter Wahl des Schadensersatzes den Übergang (oder die Rückkehr) auf den Vorschussanspruch nach §§ 634 Abs. 2, 637 BGB bis zur letzten mündlichen Verhandlung. Das Recht auf Selbstvornahme und Vorschuss erlischt nicht. Es handelt sich um einen Fall der privilegierten Klageänderung.

Aber Vorsicht bei der Geltendmachung des Vorschusses:
So elegant die Vorfinanzierung auf den mangelhaft leistenden Werkunternehmer verlagert werden kann, so tückisch kann die Abwicklung sein:

Der Vorschuss ist in angemessener Frist abzurechen. Welche Frist angemessen ist, ist eine Frage des Einzelfalls, 12 Monate dürften jedoch die Obergrenze sein. Ansonsten droht die Rückforderung des Werkunternehmers.

Die Praxis zeigt, dass zunächst einmal nicht einfach ist, geeignete Werkunternehmer für die Mängelbeseitigung innerhalb der ggf. passenden Witterungsverhältnisse (vorwiegend die Sommermonate) zu bekommen. Und schließlich muss man noch die Rechnungen der Unternehmer innerhalbe dieser Frist in den Händen halten, um abrechnen zu können. Auch dies ist nicht immer einfach zu bewerkstelligen.